STALAG IX A Ziegenhain
Nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 erfolgte reichsweit die Errichtung von Kriegsgefangenenlagern. Das STALAG IX A Ziegenhain war das größte Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen.
Bis 1945 wurden im STALAG IX A Kriegsgefangene unterschiedlicher Nationen interniert: Zunächst Polen und Franzosen, darunter der spätere französische Staatspräsident François Mitterrand. Hinzu kamen Niederländer, Belgier, Briten, Serben sowie Italiener und Amerikaner.
Mehrere tausend sowjetische Kriegsgefangene, die seit Oktober 1941 im STALAG IX A eintrafen, wurden in einem separaten Lagerbereich unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten.
Der überwiegende Teil der Kriegsgefangenen musste außerhalb des Lagers in sogenannten Arbeitskommandos Zwangsarbeit in der Landwirtschaft und in der (Rüstungs)Industrie leisten.
Friedhöfe
Zum STALAG IX A Ziegenhain gehörten zwei getrennt voneinander angelegte Friedhöfe. Der heutige Gemeindefriedhof war der Bestattungsort für die verstorbenen westalliierten und polnischen Kriegsgefangenen. Die sowjetischen und serbischen Toten wurden hingegen auf dem weit abgelegenen Waldfriedhof anonym, mitunter in Massengräbern, verscharrt. Auch die italienischen Militärinternierten lagen dort bis 1958 begraben.
CI-Camp 95 Ziegenhain
Nach der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers am 30. März 1945 diente das STALAG IX A der US-Army zunächst als Civil Internment Camp 95 (CIC 95) zur Unterbringung von Mitgliedern der Waffen-SS, der NSDAP, SA- und SS sowie Wehrmachtssoldaten. Das Lager bestand bis zum Sommer 1946.
DP-Lager 95-443 Ziegenhain
Antisemitische Übergriffe und Pogrome im Polen der Jahre 1945 und 1946 lösten unter den osteuropäischen Juden im Sommer 1946 eine Massenflucht aus. Bis 1949 emigrierten etwa 200.000 überwiegend polnische Juden in die westlichen Besatzungszonen Deutschlands.
Anfang August 1946 richtete die US-Army in den leerstehenden Baracken des STALAG IX A Ziegenhain das DP-Lager 95-443 Ziegenhain ein.
Für die Displaced Persons (DPs) wurde es zur Durchgangsstation für die ersehnte Ausreise nach Palästina, Großbritannien, Kanada, Australien, Südamerika oder in die USA.
Durchschnittlich belief sich die Belegzahl des DP-Lagers 95-443 Ziegenhain, das Ende November 1947 aufgelöst wurde, auf 2000 Personen. Dem Lager angeschlossen war ein TBC-Sanatorium in Steinatal.
Flüchtlinge & Heimatvertriebene
Als Folge des Zweiten Weltkrieges kam es zur größten Bevölkerungsumwälzung des 20. Jahrhunderts. Etwa 12 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und dem Sudetenland wurden bis 1950 in den vier alliierten Besatzungszonen Deutschlands aufgenommen.
Als mögliches Quartier für die Flüchtlinge und Vertriebenen bot sich das geräumte Lager in Ziegenhain an. Im Januar 1948 pachtete der Kreis Ziegenhain das Gelände des ehemaligen STALAG IX A für fünf Jahre. Im Frühjahr 1948 erfolgten die ersten Einweisungen und binnen kurzer Zeit entwickelte sich durch eine gezielte Ansiedlungspolitik die “Flüchtlingssiedlung” in einen florierenden Handwerks-, Gewerbe– und Industriestandort.
Als Folge dieser wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung kam es am 1. April 1951 zur Gründung der selbstständigen Gemeinde Trutzhain.